Nr. 4 Haus des Glockenspiels
Nr. 4 Haus des Glockenspiels
 
Aus zwei benachbarten Lagerhäusern entstand das heutige Haus des Glockenspiels. Es war das erste Projekt zur Neugestaltung der Böttcherstraße, welches das Architektenduo Alfred Runge und Eduard Scotland im Auftrag von Ludwig Roselius verwirklichte, mitten in der Inflationszeit 1922/23.
Auf einen Blick
benannt nach dem Glockenspiel zwischen den Giebeln, bis 1923 bis 1946 Bremen-Amerika-Bank (Hausbank von Ludwig Roselius)
Bauzeit: Altbestand zwei frühneuzeitliche Häuser, 1922 bis 1923 bis auf die Grundform der Fassade neu errichtet, Dachgeschoss und Hinterhaus 1944 zerstört und bis 1954 wiederaufgebaut
Architekten: Alfred Runge und Eduard Scotland
Nutzung: ursprünglich Kaufmanns- und Lagerhaus, nach Umbau als Bankgebäude mit Kassenhalle und Büros, heute Verwaltungssitz der Böttcherstraße GmbH, weitere Büros, Kino, Archiv der Böttcherstraße

Unter Bewahrung der Kubatur der alten Häuser gestalteten die Architekten in traditionellen Formen und Materialien eine historisch anmutende Fassade zur Böttcherstraße. Dahinter verbargen sich die repräsentativ und modern gestalteten Räumlichkeiten der Hausbank Ludwig Roselius‘, von ihm Bremen-Amerika-Bank benannt.Erste Bearbeitung des Hauses: Kirsten Leuenroth: Das Haus des Glockenspiels (ehem. Bremen-Amerika-Bank), S. 102-116 in: Tallasch, Hans (hrsg.): Projekt Böttcherstraße, Delmenhorst 2002

  • von ihm Bremen-Amerika-Bank benannt.Erste Bearbeitung des Hauses: Kirsten Leuenroth: Das Haus des Glockenspiels (ehem. Bremen-Amerika-Bank), S. 102-116 in: Tallasch, Hans (hrsg.): Projekt Böttcherstraße, Delmenhorst 2002

Hintergrund

Am 1. April 1920 gründete Otto Schroeder ein Bankgeschäft in der Wachtstraße 40. Ende 1922 kaufte sich Ludwig Roselius in dieses Bankgeschäft ein, offenbar in der Absicht, eine Hausbank zur Abwicklung seiner Geschäfte zu betreiben.Akten mit Geschäftsbüchern und -berichten sowie Protokollen haben sich im Archiv erhalten (Signatur 9_3_1). Zur Geschichte der Bank der Essay von Hans Tallasch: Die Bremen-Amerika-Bank AG (BAB) 1923-1942 Am 17.09.1923 wurde der Name in ‚Bremen-Amerika-Bank‘ geändert und eine Beteiligung der Kaffee HAG mit 95% festgeschrieben. Die Gründe für die ungewöhnliche Namensgebung hat Ludwig Roselius nicht erläutert. Es darf aber vermutet werden, dass er nach der Enteignung seines Amerikageschäfts 1917 durch den Kriegseintritt der USA mit der Namensgebung den Anspruch auf seine dortige Firma wahren wollte. In Zeiten der als Kriegsfolge in Deutschland galoppierenden Inflation suggeriert der Name auch eine gewisse Internationalität.Ludwig Roselius hatte zur Bekämpfung der Inflation die Gründung einer Weltbank gefordert. Sönke Hundt: Kaffee HAG oder woher das Geld kam, S. 231, in: Tallasch, Hans (hrsg.): Projekt Böttcherstraße, Delmenhorst 2002 Auf einer allgemeinen Ebene betonte Roselius damitLudwig Roselius, Reden und Schriften, Bremen 1932, S. 9 die alten Beziehungen der seiner Überzeugung nach durch ‚niederdeutsche‘ Einwanderung geprägten Kultur Nordamerikas.

Eine ausführliche Abhandlung über die Bremen-Amerika-Bank finden Sie hier.

  • eine Hausbank zur Abwicklung seiner Geschäfte zu betreiben.Akten mit Geschäftsbüchern und -berichten sowie Protokollen haben sich im Archiv erhalten (Signatur 9_3_1). Zur Geschichte der Bank der Essay von Hans Tallasch: Die Bremen-Amerika-Bank AG (BAB) 1923-1942
  • gewisse Internationalität.Ludwig Roselius hatte zur Bekämpfung der Inflation die Gründung einer Weltbank gefordert. Sönke Hundt: Kaffee HAG oder woher das Geld kam, S. 231, in: Tallasch, Hans (hrsg.): Projekt Böttcherstraße, Delmenhorst 2002
  • betonte Roselius damitLudwig Roselius, Reden und Schriften, Bremen 1932, S. 9

Planung

Pläne zum Umbau der alten Giebelhäuser Böttcherstraße 4 und 5 wurden allerdings schon früher gefasst. Sie hatten somit zunächst nichts mit der späteren Nutzung als Bank zu tun. Dies lässt sich anhand der Änderungen der Baupläne belegen: Roselius hatte die beiden maroden Gebäude (Abb. 2) schon 1918 vom Eisenhändler H.R. Finke erworben.Leuenroth wie Anm 1, S. 115 Anm. 2 Die frühesten BauzeichnungenInventar-Nr. BP_3329, Runge & Scotland Nr. 8286 und BP_3338, Runge & Scotland Nr. 8853 stammen schon von 1921 und weisen auf den Grundrissen die spätere Kassenhalle noch als ‚Kontor‘ aus, oder 1922 als ‚Kaffeeraum‘. Auch der Umgang mit den Fassaden der beiden Häuser unter denkmalpflegerischem Aspekt war keineswegs von Anfang an klar. Runge & Scotland präsentierten Roselius zunächst einen Plan, mit dem möglichst viel von den alten Fassaden erhalten bleiben sollte. Der Entwurf (Abb. 3) der Architekten von 1922 zeigt die Außengliederung der beiden Häuser fast unverändert. Einzig das Erdgeschoss ist links mit drei Rundbogenfenstern versehen anstelle des großen Tores. Dass dieser Entwurf nur ein denkmalgerechter Vorschlag ist, zeigt die erklärende Zeile darunter: „mit möglichster Erhaltung des Vorhandenen, durch Beibehaltung der Luken schlechte Belichtung“. Dieser Entwurf korrespondiert mit der Grundrisszeichnung, auf der der Raum als ‚Kaffeeraum‘ bezeichnet, die Nutzung als Bank also noch nicht ins Auge gefasst ist. Die unterschiedlichen Geschosshöhen der beiden Häuser sind allerdings schon angeglichen. Der später ausgeführte Entwurf (Abb. 4) sieht eine Erhöhung der Gebäude um ein Geschoß vor und durch große Fenster eine sehr viel stärkere Durchlichtung der Innenräume. Er nimmt damit Rücksicht auf die neue Nutzung als Bankgebäude (Abb. 5).

Abb. 5: Haus des Glockenspiels vor 1944, Fassade total im Winter 1923/24
Böttcherstraße 4 kurz nach der Fertigstellung im Winter 1923/24. Unten rechts der Bauzaun für den Neubau Haus St. Petrus mit Bauschild Runge & Scotland.

Das Äußere

Eine etwas eingehendere Analyse soll hier die Arbeitsweise des Architektenduos exemplarisch zeigen: Durch einheitliche Geschoss- und Fensterhöhen haben Runge & Scotland die beiden Häuser einander angeglichen (Abb. 5). Dennoch ist durch unterschiedliche Fenstergrößen und eine Gliederung der Fassade durch Sandsteineinfassungen kenntlich gemacht, dass es sich ursprünglich um zwei verschiedene Gebäude handelte. Die Fenster sind zu Zweier- oder Dreiergruppen zusammengefasst und nehmen in ihrer Höhe wohlproportioniert von Geschoss zu Geschoss ab. Schmale Schlaggesimse zeigen die Geschosshöhen an. Mauervorsprünge, die sich strebepfleilerartig nach oben bis ins 2. OG verjüngen, grenzen das ehemalige Haus Nr. 5 (links) ab. Zusammen mit den fensterverbindenen Sandsteinstreifen geben sie dem etwas schmaleren ehemalige Haus Nr. 5 (links) eine vertikale Tendenz. Zu Runge & Scotlands fein austarierter Fassadengliederung zählen auch die angeschnittenen Rundbögen über den Fenstern. Nach Art der Weser-RenaissanceSteinsichtige Fassadengestaltungen aus Backstein mit Sandsteinelementen als Gliederung, die reduziert Formen der Weser-Renaissance wieder aufnehmen sind in Bremen schon seit der Jahrhundertwende geläufig. Prominentestes Beispiel ist vielleicht Rudolf Jakobs‘ Haus am Markt von 1908/11. wechseln Standsteinblöcke und hochgestellte Backsteine einander ab. Auch die beiden Giebel unterscheiden sich im Detail: Während der etwas schmalere Giebel links (ehem. Nr. 5) komplett von hochgestellten Backsteinen gerahmt wird, ist dies beim rechten Giebel (ehem. Haus Nr. 4) nur im oberen Bereich der Fall. Beide Giebel münden in eine schräggestellte fialartige Bekrönung, die Runge & Scotland vom Giebel des Haus Nr.6 (das spätere Roselius-Haus) übernommen haben.

  • Weser-RenaissanceSteinsichtige Fassadengestaltungen aus Backstein mit Sandsteinelementen als Gliederung, die reduziert Formen der Weser-Renaissance wieder aufnehmen sind in Bremen schon seit der Jahrhundertwende geläufig. Prominentestes Beispiel ist vielleicht Rudolf Jakobs‘ Haus am Markt von 1908/11.
Abb. 6: Wachtstraße 32, ehem Bremen-Amerika-Bank, Runge & Scotland 1923, jetzt Hotel
Die historistische Giebelfassade der Bank zur Wachtstraße vermittelt heute als einzige einen Eindruck vom Aussehen einer der Hauptverkehrsstraßen Bremens vor dem Krieg.
Quelle
Uwe Bölts (Foto)

Fassade zur Wachtstraße

Das Bankhaus Schröder, aus dem die Bremen-Amerika-Bank hervorgegangen ist, befand sich in der Wachtstraße, die bis zum Bau der Balgebrückstraße als Hauptstraße über die Weser führend die wesentlich bessere Adresse gegenüber der Böttcherstraße war. So plante Roselius den Haupteingang zur Bank in der Wachtstraße. Dazu kaufte er das genau auf der Höhe der beiden Häuser auf der anderen Seite des Straßenblocks gelegene Haus Wachtstraße Nr. 32Leuenroth wie Anm. 1, S. 115. Rudolf Stein (in. Bremer Barock und Rokoko, Bremen 1960, S. 320 und Ders. in: Das Bremer Bürgerhaus, Tübingen 1970, S. 95) datiert dieses Haus in die Zeit des Übergangs vom Barock zum Klassizismus 1770-1780 und liefert einen rekonstruierenden Fassadenaufriss (Abb. 81) mit mittigem Hauseingang. Aus den Bauakten geht hervor (Leuenroth, S. 105), dass Runge & Scotland das Haus komplett niedergelegt haben müssen, denn vor allem das Erdgeschoss wurde für die Halle dahinter erheblich erhöht. Auch die Backsteine der Fassade machen heute einen erneuerten Eindruck. Ursprünglich wird die Fassade verputzt gewesen sein. und ließ es gleichfalls durch Runge & Scotland erneuern. Die beiden Häuser in der Böttcherstraße bildeten demnach die Rückseite der Bank. In der Wachtstraße ist es heute die einzige erhaltene Fassade (Abb. 6), die einen Eindruck vermittelt, wie diese Hauptstraße Bremens vor dem Krieg ausgesehen hat. Eine Bauzeichnung (Abb. 7) der endgültigen Ausführung belegt, dass die Fassade bis auf die Fensterteilung und den Eingang den Krieg überstanden hat. Die Backsteinfläche wird einzig mit sandsteingerahmten Fenstern in drei Achsen gegliedert und schließt mit einem barocken Volutengiebel ab. Das hohe Erdgeschoss ist komplett mit Sandstein verkleidet. Große Sprossenfenster geben der dahinter liegenden Kassenhalle viel Licht. 

  • Wachtstraße Nr. 32Leuenroth wie Anm. 1, S. 115. Rudolf Stein (in. Bremer Barock und Rokoko, Bremen 1960, S. 320 und Ders. in: Das Bremer Bürgerhaus, Tübingen 1970, S. 95) datiert dieses Haus in die Zeit des Übergangs vom Barock zum Klassizismus 1770-1780 und liefert einen rekonstruierenden Fassadenaufriss (Abb. 81) mit mittigem Hauseingang. Aus den Bauakten geht hervor (Leuenroth, S. 105), dass Runge & Scotland das Haus komplett niedergelegt haben müssen, denn vor allem das Erdgeschoss wurde für die Halle dahinter erheblich erhöht. Auch die Backsteine der Fassade machen heute einen erneuerten Eindruck. Ursprünglich wird die Fassade verputzt gewesen sein.
Abb. 7: Bauzeichnung Fassade Wachtstraße 32 (Bremen-Amerika-Bank)
Den Haupteingang zur Wachtstraße haben Runge & Scotland historistisch mit einer stark durchfensterten Barockfassade gestaltet
Quelle
Bauzeichnung im Archiv Böttcherstraße Bremen

Inneres

Die Kassenhalle (Abb. 8) im Erdgeschoss zieht sich als langer Schlauch über fast 40 m von der Wachtstraße zur Böttcherstraße. Einzige Zäsur bildet ein Lichthof, der den Blick in das erste Obergeschoss freigibt. Eine geschwungene, doppelläufige Treppe setzt einen vertikalen Akzent. Im Gegensatz zum ruhigen, mit historistischen Elementen durchsetzten Äußeren, ist das Innere der zeitgenössischen Dekoration der ersten Hälfte der 1920er Jahre verpflichtet: Brüstungsgeländer der Treppe, Eingangstür zur Stahlkammer im Untergeschoss und der große Leuchter sind von Runge & Scotland im ‚Zackenstil‘ gestaltet, der 1923 als äußerst modern galt. Das Treppenpostament am Aufgang ziert eine Gluckhenne aus Messing vom Bremer Bildhauer Engelhart Tölken (1882-1928). Die Skulptur nimmt Bezug auf die Gründungssage Bremens,Friedrich Wagenfeld veröffentlichte 1844 die Sage, wonach siedlungswillige Fischer auf einer hohen Düne am Ufer der Weser eine Henne entdeckten, die dort im Heidekraut ihre Küken schützend begluckte. Dies nahmen sie als Zeichen sich auf der hochwassersicheren Düne niederzulassen. Daraus soll das spätere Bremen entstanden sein. Das Motiv der Henne mit Küken findet sich an den Arkadenzwickeln des nahen Rathauses, ist hier aber als Gegenüber zum anderen Bild mit einem Hahn zu lesen als Emblem für Wachheit (Hahn) und Schutz (Henne). wobei das Motiv der ihre Küken beschützenden Henne für ein Bankhaus am Eingang zum Tresorraum durchaus glücklich gewählt ist, insbesondere in der gerade überwundenen Inflationszeit. 

Die Treppe führt in das erste Obergeschoss. Über eine Galerie (Abb. 9), die einen Blick auf mit Zackensternen verzierte Oberlicht gewährt, gelangt man in das Sitzungszimmer (Abb. 10). Die zartfarbenen WandgemäldeLeuenroth wie Anm. 1, S. 106 hat Ernst Müller-Scheessel mit Bremer Ansichten gestaltet. Mit dieser Art Landschaftszimmer und den Stuckverzierungen im Rokokostil nehmen Runge & Scotland Bezug auf die Erbauungszeit des Hauses im späten 18. Jahrhundert. Zur Wachtstraße hin befinden sich die Direktionsbüros, in dem Gebäudeteil zur Böttcherstraße hinüber die Akten- und Registraturräume. Über der Kassenhalle auf der Seite der Böttcherstraße haben Seehandel AG als Holding der HAG und einige kleine Tochterfirmen ihre Büros bekommen.

Leider ist von diesem eindrucksvollen Beispiel der Dekorationskunst der frühen 1920er Jahre durch Kriegszerstörung 1944 nichts geblieben außer der Gluckhenne, die im Archiv der Böttcherstraße verwahrt wird. 1958 hat der Hoetger-Schüler Alfred Horling (1908-1961) das Motiv der Gluckhenne wieder aufgegriffen und eine Skulptur (Abb. 11) für den Absatz auf dem Mauervorsprung an der Nordseite des Hauses in der Böttcherstraße geschaffen. Sie blickt auf den Platz in der Mitte der Böttcherstraße, auf dem sich täglich die Menschen versammeln, um dem Glockenspiel zu lauschen und Bilder des Bilderturms zu sehen.

  • Gründungssage Bremens,Friedrich Wagenfeld veröffentlichte 1844 die Sage, wonach siedlungswillige Fischer auf einer hohen Düne am Ufer der Weser eine Henne entdeckten, die dort im Heidekraut ihre Küken schützend begluckte. Dies nahmen sie als Zeichen sich auf der hochwassersicheren Düne niederzulassen. Daraus soll das spätere Bremen entstanden sein. Das Motiv der Henne mit Küken findet sich an den Arkadenzwickeln des nahen Rathauses, ist hier aber als Gegenüber zum anderen Bild mit einem Hahn zu lesen als Emblem für Wachheit (Hahn) und Schutz (Henne).
  • WandgemäldeLeuenroth wie Anm. 1, S. 106

Das Glockenspiel

Zwischen den Giebeln (Abb. 12) des Hauses zur Böttcherstraße ist an einem metallenen Rankengitter ein Glockenspiel aus 30 Glocken aus Meissener Porzellan eingefügt. Die Geschichte dieses Glockenspiels ist unabhängig von der Nutzung des Hauses als Bank zu sehen, und verweist stattdessen rein auf die touristische Funktion, die die Böttcherstraße immer hatte. Auf der Suche nach einer neuen Attraktion wurde Ludwig Roselius vermutlich auf der Hygieneausstellung in Dresden 1930 angeregt, in der Böttcherstraße ein Glockenspiel zu errichten. Auf der Dresdener Ausstellung gab es einen freistehenden Turm mit 40 spielbaren Porzellanglocken, die später in den Zwinger übertragen wurden. Um das Glockenspiel zu einer richtigen Attraktion zu machen, wollte Roselius ein sich zum Glockenklang bewegendes Figurenspiel installieren, wie man es seit der frühen Neuzeit an einigen berühmten Rathäusern kennt. Das Thema sollte maritim sein: So verwahrt das Archiv der Böttcherstraße eine Zeichnung eines beweglichen Matrosen. Die planerische Umsetzung dieser Idee zog sich über fast vier Jahre hin: Nach den Entwürfen von Runge & Scotland wurden 1934 die 30 Glocken zwischen die Giebel der ehemaligen Lagerhäuser in ein kupfernes Rankenwerk (Abb. 13) gehängt. Eigens für das Figurenspiel wurde zwischen dem Haus des Glockenspiels und dem Roselius-­Haus ein Turm errichtet; statt des Figurenspiels wurden jedoch 5 beidseitig geschnitzte Holztafeln auf einer drehbaren Trommel nach Entwürfen von Bernhard Hoetger angebracht. Die Mechanik im Inneren des Turms dreht jede Tafel, so dass insgesamt 10 verschiedene Bilder gezeigt werden können. Die sechste Seite bildet ein Mauerstück, das in Ruhestellung gezeigt wird. Erzählt werden Geschichten von Atlantiküberquerungen, angefangen mit dem isländischen Entdecker Leif Erikson (Abb. 14) und endend mit dem Zeppelin (Abb. 15), dem seinerzeit modernsten Verkehrsmittel. Das erste Glockenspiel mit innen vergoldeten und außen kobaltblauen Glocken wurde hingegen ein Opfer der Bomben im 2. Weltkrieg. Nur 8 Glocken (Abb. 16) blieben erhalten, vier davon wurden 1949 zu einem provisorischen Glockenspiel zusammengefügt.

Nach Beendigung des Wiederaufbaus der Böttcherstraße konnte 1954 ein neues Glockenspiel aus 30 weißen Glocken, ebenfalls aus der Meissener Porzellanmanufaktur, in das noch vorhandene Rankenwerk eingebaut werden. Mit dem Erwerb der Böttcherstrasse 1988 durch die Sparkasse Bremen begann die Grundsanierung. In diesem Zuge wurde 1990 nun das heutige dritte Glockenspiel (Abb. 17) installiert, denn nach über 30 Jahren und dem Ersetzen zweier defekter Glocken klang das Spiel verstimmt. Die Firma Turmuhrenbau Ferner aus Niederau bei Meißen stattete es gleich mit moderner elektronischer Spielmechanik aus, die 2009 auf digitale Spieltechnik umgestellt wurde.

Die offizielle Umbenennung des Hauses von Bremen-Amerika-Bank in Haus des Glockenspiels ist nicht nachweisbar. Die Bank stellte bereits 1942 ihren Betrieb ein. Im September 1948 berichtet die Nordsee-Zeitung über den Wiederaufbau der Böttcherstraße unter touristischen Aspekten und bezeichnet das Haus erstmals als ‚Haus des Glockenspiels‘.Nordsee-Zeitung am 18.09.1948. Die goldenen Lettern über dem Eingang sollen nach der Erinnerung von Direktor Edgar Puvogel allerdings schon 1946/47 in ‚Haus des Glockenspiels‘ ausgewechselt worden sein (Bericht in D-Konferenz vom 30.10.1974), was wenig glaubhaft ist, da dies ohne Nachfertigung von Buchstaben nicht möglich ist und sich für die Neuanfertigung in dieser Zeit keine Rechnungsbelege finden.

Eine ausführliche Abhandlung über das Glockenspiel können Sie hier herunterladen.

  • ‚Haus des Glockenspiels‘.Nordsee-Zeitung am 18.09.1948. Die goldenen Lettern über dem Eingang sollen nach der Erinnerung von Direktor Edgar Puvogel allerdings schon 1946/47 in ‚Haus des Glockenspiels‘ ausgewechselt worden sein (Bericht in D-Konferenz vom 30.10.1974), was wenig glaubhaft ist, da dies ohne Nachfertigung von Buchstaben nicht möglich ist und sich für die Neuanfertigung in dieser Zeit keine Rechnungsbelege finden.