38 Eduard Scotland 1938
38 Eduard Scotland 1910
Eduard Scotland, ein Bremer Grafiker und Architekt
 
Er war der erste Architekt der neuen Böttcherstraße, und er wäre es auch im Rang geblieben, hätte es nicht im laufenden Projekt eine entscheidende Umplanung gegeben, für deren Konzept und Verwirklichung Bernhard Hoetger als Architekt zuständig wurde.

Eduard Scotland (1885-1945) war der erste Architekt der neuen Böttcherstraße, und er wäre es auch im Rang geblieben, hätte es nicht im laufenden Projekt eine entscheidende Umplanung gegeben, für deren Konzept und Verwirklichung Bernhard Hoetger als Architekt zuständig wurde. Das ändert wenig an der herausragenden Qualität des ersten Bauabschnitts, den Eduard Scotland in Gemeinschaft mit Alfred Runge (1881-1946) ab 1922 auszuführen beauftragt worden war.

Abb. 1
Eduard Scotland mit seiner Frau Gertrud um 1910

Auf väterliche Weisung hin war der 1885 in Bremen geborene Scotland nicht Maler, wie es seinem Wunsch entsprach, sondern Architekt geworden. Völlig überwunden hat er seine künstlerische Neigung nicht, vielmehr begleitete die Arbeit des Architekten fortlaufend ein eigenständiger Bereich von freier und von angewandter Kunst. Noch während seiner Ausbildung am Bremer Technikum zeichnete er Vignetten und Illustrationen für die Zeitschrift „Niedersachsen“ in der Art des Jugendstils. Die ausgeprägte Linienkultur kam seiner späteren gebrauchsgrafischen Arbeit zugute, die er fast ausschließlich für die „Kaffee-Hag“ betrieb.

1904 hatte er mit seinem Studienfreund Alfred Runge das Architektenbüro Runge und Scotland gegründet und war im gleichen Jahr dem neugegründeten „Verein für niedersächsisches Volkstum“ beigetreten, zu dessen ersten Mitgliedern auch Ludwig Roselius zählte, der ihn mehr als drei Jahrzehnte immer wieder als Architekten beauftragte, weil beider Vorstellungen von einer neuen Architektur im Rahmen der Heimatschutzbewegung weitgehend kongruierten: einer Synthese von traditionellen Bauformen mit modernen bürgerlichen Lebensbedürfnissen.

Abb. 2
Plakat für die Kaffee HAG von Eduard Scotland
Quelle
Archiv Böttcherstraße Breme (Foto)

Im Jahr 1906 bereits prägte Scotland als Grafiker das erste Markenzeichen der neugegründeten Kaffee-Hag: den in ein Linienquadrat eingespannten roten Rettungsring (Abb. 2), der das Produkt über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg weltweit repräsentierte.

Seit dieser Zeit waren Eduard Scotland und Alfred Runge als „Reklame-Berater“ und Architekten für Roselius tätig. Sie konzipierten seine Wohnhäuser in Bremen und Berlin, 1911 in Firmenauftrag das Clubhaus der Kaffee-Hag auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, 1914 das Kaffee-Restaurant der Kaffee-Hag auf der Werkbund-Ausstellung in Köln. Ihre Werbegrafik prägte anlässlich dieser Ausstellungen auffällig das Bild der Kaffee-Hag: das Markenzeichen mit der eigenen Typografie bestimmte weltweit alle öffentlichen Auftritte des Produktes, von der Packung über Plakate, Inserate bis hin zum Porzellandekor. Vor Beginn des Ersten Weltkrieges ließ Roselius den Laden der Kaffee-Hag in Wien durch Runge und Scotland zu einem übergroßen Warenmuster mit vornehmer, beinahe aristokratischer Inneneinrichtung ausgestalten. „Dies glückliche, geschmackvolle Gewand, in das die Kaffee-Hag ihre Geschäftsunternehmungen kleidet, ist das Ergebnis der alten Beziehungen des Gründers der Firma, Roselius, zu den Architekten Runge & Scotland...“

Bei der Neugestaltung der Bremer Böttcherstraße griff Ludwig Roselius auf das bewährte Team Runge-Scotland zurück und führte sie an die heikle Bauaufgabe heran: eine kommunikative, stilistisch ausgereifte und ästhetisch einheitliche Häuserzeile sollte eine Seite des mittelalterlichen Straßenzuges ersetzen. Die Bauweise Eduard Scotlands kam seinen Plänen entgegen, ab 1922 entstand die Bremen-Amerika-Bank, nach 1924 das Haus St. Petrus und das Hag-Haus; zuletzt – unter Vorbehalt der Urheberschaft -, bis 1930 das Robinson-Crusoe-Haus. Den Architekten oblag auch die Innenausstattung: in der Bremen-Amerika-Bank richtete Scotland Treppenhaus und Sitzungssaal ein, im Obergeschoß des Hauses St. Petrus das Weinrestaurant, im Hag-Haus den Festsaal der „Bremer Gesellschaft von 1914“ und die angrenzenden Clubräume. Die im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Inneneinrichtungen sind in ihrer Gesamtwirkung kaum rekonstruierbar, in ihrer Konkordanz – um nicht zu sagen: Harmonie – mit der wiederhergestellten Architektur.

Je enger Ludwig Roselius den Worpsweder Bildhauer Bernhard Hoetger in die architektonische Neugestaltung der Böttcherstraße einbezog, umso weniger wurden Alfred Runge und Eduard Scotland als „künstlerische Bauräte“ befragt. Als Roselius eine begehbare Verbindungsbrücke über die stadtzugewandte Seite der Böttcherstraße spannen lassen wollte, übertrug er die Aufgabe Bernhard Hoetger, der als erstes hier das Paula-Becker-Modersohn-Haus errichtet hatte und nun die bauliche Verbindung zur Seite Eduard Scotlands schuf. Dieser hatte vergeblich um die Ausführung der Brücke ersucht, das Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr kühlte spürbar ab, Ludwig Roselius zeichnete zuletzt für den bereits ab 1925 von Scotland geplanten und 1931 fertiggestellten Bau des Robinson-Crusoe-Hauses selbst als Architekt.

1933 trat Eduard Scotland der NSDAP bei, wurde 1935 Leiter des „Nordischen Bauhofs“ und 1937 Professor an der „Nordischen Kunstschule“ in Bremen, der einzigen nationalsozialistischen Kunstakademie. Für den Gau Weser-Ems war er zeitgleich als Baupfleger zuständig. Im Jahr 1940 löste er das Büro „Runge & Scotland“ auf, das er ab 1935 nahezu allein als Architekt betrieb. 

Abb. 3
Eduard Scotland mit seiner Frau Gertrud um 1938

Literatur

  • Arthur Bothe, Eduard Scotland. In: Bremische Biographie 1912-1962, Bremen 1969, S. 482
  • Bernd Küster, Eduard Scotland. In: Von der Volkskunst zur Moderne. Kunst und Handwerk im Elbe-Weser-Raum 1900-1930, Hrsg. Landschaftsverband Stade 1992, S. 198 ff.
  • Kirsten Leuenroth, Die Architekten Alfred Runge und Eduard Scotland. In: Projekt Böttcherstraße, Hrsg. Hans Tallasch, Delmenhorst 2002, S. 65 ff.

Text

Bernd Küster