Die Böttcherstraße vor Ludwig Roselius
 
Böttcherstraßen gibt es viele: in Hamburg, Wismar, Stralsund, Lübeck...Erst durch die Idee eines Mannes und seinen Willen zur Tat wurde die Bremer Böttcherstraße die bekannteste unter allen anderen. Ludwig Roselius hat aus der Böttcherstraße in Bremen ein Gesamtkunstwerk gestaltet, wie es in der Welt kein zweites gibt.

Einleitung

Anders als beispielsweise die Drosselgasse in Rüdesheim oder der Broadway in New York ist die Bremer Böttcherstraße nicht gewachsen, sondern bewusst konzipiert und geplant und entwickelt so einen ganz eigenen, in sich geschlossenen Begriff von Urbanität: Nach außen, indem sie sich durch ihre Kleinteiligkeit der Giebel, durch Bogengänge, ihre vielteilige Dachlandschaft und v.a. durch die bebauten Brücken an den Zugängen zur Straße von der Umgebung absetzt. Sie greift also nicht in das Netz der Straßen der sie umgebenden Stadt aus, sondern grenzt sich ab, um ein eigenes Bild von Stadt zu entwerfen. Nach innen zeigt die Böttcherstraße diesen geschlossenen Begriff von Urbanität indem sie bewusst von einem Kontrast verschiedener Architekturauffassungen geprägt ist, der durch die einheitliche Verwendung des Baumaterials Backstein zusammengehalten wird. Trotzdem wirkt sie bei der ersten Begegnung scheinbar zufällig gewachsen wie die sie umgebende Stadt. Man ahnt aber, dass mehr dahintersteckt.

Abb. 1: Böttcherstraße allgemein
Carl Ludwig Murthfeldt, Grundriß Bremen, 1796, Ausschnitt Balgeinsel mit markierten Verlauf der Balge.

Lage und Entwicklung der Böttcherstraße im mittelalterlichen Bremen

Die Balgeinsel

Die Böttcherstraße liegt heute zentral, mitten in der Altstadt. Man würde vermuten, dass sie zum ältesten Siedlungsgebiet Bremens zählt. Ihre Lage, nur wenige Schritte vom Markt entfernt, war aber nicht immer so zentral. Das Areal, auf dem sich die Straße befindet, bildete bis ins 18. Jahrhundert hinein eine Insel, die durch den Fluss Balge vom Dünenrücken mit Marktplatz und dem Dom als höchsten Punkt getrennt war. In der Zeit um 800 war diese Insel noch ein von vielen kleinen Gewässern durchzogenes, sumpfiges Gebiet, welches erst im Laufe der Zeit durch bei Hochwasser angespülten Sand erhöht wurde. Die Balgeinsel blieb daher bei der frühesten Besiedlung Bremens zunächst unberücksichtigt, weil sie immer noch wesentlich tiefer lag und ständig überflutungsgefährdet war.Weidinger, Ulrich: Mit Koggen zum Marktplatz, Bremen 1997, S. 57. In Weidingers umfangreicher Untersuchung wird die gesamte Forschung zum Thema Stadtwerdung Bremens diskutiert und aufgearbeitet. In Bezug auf die frühe Böttcherstraße folgen wir weitgehend seiner Auffassung. Die frühe Forschung nahm fälschlicherweise an, dass sich auf dieser Insel die früheste Besiedlung Bremens befunden habe (z. B. Prüser, Friedrich: St. Martini und das Kirchspiel. In: St. Martini zu Bremen. Hrsg. v. Wolfgang Wehowsky, Bremen 1960, S. 13)  Diese geografische Situation ist heute noch spürbar: Wenn man beim Roland stehend, dem Rathaus den Rücken zuwendet und auf Hoetgers vergoldeten Lichtbringer über dem Eingang der Böttcherstraße schaut, bemerkt man einen deutlichen Höhenunterschied. Er beträgt noch heute 1,50 bis 2 m. Befindet man sich unter dem Lichtbringer, so kann man – zur Martinistraße gewandt – wieder ein leichtes Ansteigen des Niveaus ausmachen. Man hat den einstigen Fluss Balge überschritten und befindet sich auf der einstigen Balgeinsel. Dass die Gebäude der Böttcherstraße auf Flusssand gebaut sind, rückte bei der letzten Instandsetzung des Roselius-Hauses wieder ins Bewusstsein, als unter dem Fußboden Absackungen von bis zu einem Meter offenbar wurden.Abschlußbericht der Restaurierungsarbeiten durch die Sparkasse in Bremen o.S. Bremen 1994. (Archiv der Böttcherstraße) Auch sackt das Pflaster in der Straße immer wieder ab und muss nivelliert werden.

Auf dem Murtfeldschen Stadtplan von 1793 ist die Balgeinsel noch gut ablesbar: Die Balge ist als kleiner Graben verzeichnet, der südlich der Domdüne und des Marktes eine Insel abteilt, mit der Martinikirche als Mittelpunkt und der Martinistraße als Achse. Archäologische Untersuchungen haben ergeben, dass die Balge einst eine Breite von 20-30 Metern hatte. Das ganze Mittelalter hindurch wurde das Nordufer als Schiffslände für den Ufermarkt genutzt, der sich zur Düne hinaufzogWeidinger (1997), S. 68. und war damit die Keimzelle der Handelsstadt Bremen. Der Niveauunterschied zwischen Dünenhöhe (Rathaus/Dom) und Balge war zu dieser Zeit noch wesentlich größer. Schwarzwälder, Herbert: Entstehung und Anfänge der Stadt Bremen. Bremen 1955 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 24), S. 51 Im Laufe der Jahrhunderte verlor die Balge gegenüber der direkt an der Weser gelegenen Schlachte als Hafenplatz an Bedeutung und die Balge wurde immer stärker überbaut. Im späten Mittelalter existierten allein zwölf Brücken über die Balge, was eine Nutzung durch Schiffe sehr erschwerte.Weidinger (1997), S. 186. Die Schüttingbrücke über die Balge bildete die Verbindung zwischen Markt und Böttcherstraße. Sie ist 1541 im Lassungsbuch bezeichnet als „des Schuttinges brugge upper Balge“ und im Ratsdenkelbuch mit „alse man dale geydt van deme Markede nha der Bodekerstrate“, siehe Lonke, Alwin: Das älteste Lassungsbuch von 1434-1558 als Quelle für die Topografie Bremens. Bremen 1931 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 6), S. 122. Sie wurde durch die dichte Besiedlung immer mehr eingeengt, verkam zu einem Abwasserkanal und wurde schließlich 1837 ganz zugeschüttet. Heute erinnern im öffentlichen Raum noch Straßennamen wie Stintbrücke oder Balgebrückstraße sowie an einigen Stellen eine Pflastermarkierung an den einst für die städtische Entwicklung Bremens so wichtigen Nebenarm der Weser.

  • ständig überflutungsgefährdet war.Weidinger, Ulrich: Mit Koggen zum Marktplatz, Bremen 1997, S. 57. In Weidingers umfangreicher Untersuchung wird die gesamte Forschung zum Thema Stadtwerdung Bremens diskutiert und aufgearbeitet. In Bezug auf die frühe Böttcherstraße folgen wir weitgehend seiner Auffassung. Die frühe Forschung nahm fälschlicherweise an, dass sich auf dieser Insel die früheste Besiedlung Bremens befunden habe (z. B. Prüser, Friedrich: St. Martini und das Kirchspiel. In: St. Martini zu Bremen. Hrsg. v. Wolfgang Wehowsky, Bremen 1960, S. 13)
  • Absackungen von bis zu einem Meter offenbar wurden.Abschlußbericht der Restaurierungsarbeiten durch die Sparkasse in Bremen o.S. Bremen 1994. (Archiv der Böttcherstraße)
  • hinaufzogWeidinger (1997), S. 68.
  • wesentlich größer. Schwarzwälder, Herbert: Entstehung und Anfänge der Stadt Bremen. Bremen 1955 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 24), S. 51
  • Nutzung durch Schiffe sehr erschwerte.Weidinger (1997), S. 186. Die Schüttingbrücke über die Balge bildete die Verbindung zwischen Markt und Böttcherstraße. Sie ist 1541 im Lassungsbuch bezeichnet als „des Schuttinges brugge upper Balge“ und im Ratsdenkelbuch mit „alse man dale geydt van deme Markede nha der Bodekerstrate“, siehe Lonke, Alwin: Das älteste Lassungsbuch von 1434-1558 als Quelle für die Topografie Bremens. Bremen 1931 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 6), S. 122.

Die ungünstigen geografischen Bedingungen brachten für die Balgeinsel eine relativ späte Besiedlung gegenüber dem Dünenrücken mit sich. Die ältesten Spuren menschlicher Siedlungstätigkeit konnten bei Ausschachtungsarbeiten für eine Tiefgarage auf dem Eckgrundstück Wachtstraße/­Martinistraße/­Böttcherstraße aufgedeckt werden: Neben einem Flussschiff aus dem frühen 9. Jahrhundert, fanden sich Keramik- und Holzreste aus Kloaken, die ins späte 11., 12. und frühe 13. Jahrhundert datiert werden konnten.Moritz, Thomas: Die Ausgrabungen in der Bremer Altstadt 1989. In: Bremisches Jahrbuch 1991, S. 191-206., inbes. S.202 Für den Häuserbau musste das Gelände erhöht werden. Dies geschah, indem vermutlich zunächst einzelne Warften aus festem Tonboden aufgeschüttet und mit lotrecht und schräggestellten Baumstämmen seitlich abgesichert wurden.Entsprechende Funde konnte E. Ehrhardt bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau des Hauses St. Petrus 1924 machen: Ehrhardt, Ernst: Die große Balge und Funde bei Ausgrabungen an der Böttcherstraße. In: Bremer Nachrichten vom 18.1.1925. Diese Warften müssen im Ufer- und Niederungsbereich des heutigen Innenstadtgebietes zunächst eine verbreitete Siedlungsform gewesen sein, denn der Begriff ‘Warft’ taucht noch im ältesten Lassungsbuch aus dem 15. Jahrhundert als GrundstücksbezeichnungLonke, Alwin (1931), S. 84 auf. Erst später wird die Balgeinsel dann in ihrer gesamten Fläche aufgeschüttet und flächig besiedelt worden sein, welches bei einer Fläche der Balgeinsel von mindestens 5 ha erhebliche Erdverschiebungen – und damit verbunden Arbeitsaufwand und Kosten – mit sich brachte. Ähnliche Aufschüttungen Stade: Lüdecke, T. Arbeitsgebiet „Marschenbereich“. Der Ausbau der Stadt im 13. und 14.Jahrhundert. In: Auf den Spuren des alten Stade. hg. von Bohmbach, J., Lüdecke, T. Mettjes, G. , Stade 1986, S. 69-80. Hamburg: Hamburg. UB I, Nr 285. Lübeck: Gläser, M. im Bd. 18, 1992 der Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte zur Erweiterung des innerstädtischen Siedlungsraumes sind beispielsweise auch aus Stade, Hamburg und Lübeck bekannt. Diese Besiedlung der Balgeinsel wird in Bremen – wie die o.g. Funde nahelegen – im 12. Jahrhundert erfolgt sein und fand spätestens 1229 mit der Einrichtung des Kirchspiels St. Martini ihren Abschluss.So auch Schwarzwälder (1955), S. 231 und Weidinger (1997), S. 178.

Da sich auf dem Dünenrücken noch genügend Siedlungsraum befand, stellt sich die Frage, warum die an sich siedlungsfeindliche Balgeinsel überhaupt besiedelt wurde.Schwarzwälder (1955), S. 234 läßt die Frage offen. Weidinger (1997), S. 179f. findet eine einleuchtende Erklärung, die hier wiedergegeben wird. In der Beantwortung dieser Frage liegt wahrscheinlich der Schlüssel zur Entstehung der Böttcherstraße. Wenn man davon ausgeht, dass sich im 12./13. Jahrhundert das Marktgeschehen nicht nur als Straßenmarkt um den LiebfrauenkirchhofSo Schwarzwälder (1955), S. 51, 89, 235f. abspielte, sondern als Ufermarkt auf einer gegenüber dem heutigen Markt vergrößerten Fläche zwischen der Liebfrauenkirche und dem Ufer der Balge, so lagen die spätere Böttcherstraße und dahinter die Balgeinsel genau gegenüber dem Handelszentrum. Für Gewerbe oder Handwerke, die unmittelbar vom Hafen profitierten, konnte also eine Ansiedlung genau gegenüber diesem Marktgeschehen auf der freien noch unbesiedelten Balgeinsel von großem wirtschaftlichem Nutzen sein.

  • datiert werden konnten.Moritz, Thomas: Die Ausgrabungen in der Bremer Altstadt 1989. In: Bremisches Jahrbuch 1991, S. 191-206., inbes. S.202
  • seitlich abgesichert wurden.Entsprechende Funde konnte E. Ehrhardt bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau des Hauses St. Petrus 1924 machen: Ehrhardt, Ernst: Die große Balge und Funde bei Ausgrabungen an der Böttcherstraße. In: Bremer Nachrichten vom 18.1.1925.
  • GrundstücksbezeichnungLonke, Alwin (1931), S. 84
  • Ähnliche Aufschüttungen Stade: Lüdecke, T. Arbeitsgebiet „Marschenbereich“. Der Ausbau der Stadt im 13. und 14.Jahrhundert. In: Auf den Spuren des alten Stade. hg. von Bohmbach, J., Lüdecke, T. Mettjes, G. , Stade 1986, S. 69-80. Hamburg: Hamburg. UB I, Nr 285. Lübeck: Gläser, M. im Bd. 18, 1992 der Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte
  • ihren Abschluss.So auch Schwarzwälder (1955), S. 231 und Weidinger (1997), S. 178.
  • überhaupt besiedelt wurde.Schwarzwälder (1955), S. 234 läßt die Frage offen. Weidinger (1997), S. 179f. findet eine einleuchtende Erklärung, die hier wiedergegeben wird.
  • Straßenmarkt um den LiebfrauenkirchhofSo Schwarzwälder (1955), S. 51, 89, 235f.

Die Böttcherstraße als mittelalterlicher Werftenstandort

Die Böttcherei, also die Herstellung von Fässern, war solch ein Handwerk, das von der Ansiedlung in unmittelbarer Nähe zu Markt und Hafen profitierte. In der ersten urkundlichen Erwähnung der Böttcherstraße wird sie ,Hellingstrate alias vero Bodekerstrate‘Bremisches Urkundenbuch (fortan BUB abgekürzt), hrsg. von D.R. Ehmck und W. v. Bippen, Bd III, Bremen 1880, Nr. 466 von 1374. Die Nennung steht in Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bürgermeisters Doneldey aus einem Grundstück an der Böttcherstraße dem Vicar des Wilhadi-Altars im Dom zu eine Rente zu zahlen. benannt. Helling meint Helgen und bezeichnet die schräge Ablaufbahn, auf der Schiffe erbaut wurden und nach ihrer Fertigstellung vom Stapel liefen.Weidinger (1997), S. 335, Anm. 378 Neben den Böttchern waren also auch noch Schiffbauer in der Straße ansässig. Die Urkunde bezeichnet weiterhin noch ein an dieser Straße gelegenes öffentliches Sägewerk,„carreria publica“ (BUB III, Nr. 466). das für beide Gewerbe wichtig war. Interessant ist nun, dass in einer älteren Urkunde die Straße einzig als ,Hellmchstrate‘ bezeichnet wird und in allen späteren Erwähnungen nur noch von der ,Bodekerstrate‘ die Rede ist.,Hellmchstrate‘ in BUB II, Nr. 176 von 1317. Dass es sich um dieselbe Straße handelt, beweist der Gegenstand der Urkunde, nämlich die Dotierung des Wilhadi-Altares am Dom und die Erwähnung eines Syfridi Doneldey in beiden Urkunden. Die Bezeichnung Bodekerstrate taucht vor allem im ältesten Lassungsbuch auf: Zwischen 1436 und 1554 an die 30 Mal. Lonke (1931), S. 107 Diese unterschiedlichen Bezeichnungen unserer Straße dokumentieren also einen Nutzungswandel. Offensichtlich waren zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch Schiffsbau- und Schiffsreparaturstätten – sog. Lastadien – ansässig. Der Standort gegenüber dem Ufermarkt war nahe am Geschehen günstig gelegen.Diese Situation war im Mittelalter häufiger anzutreffen, Weidinger (1997), S. 308. Noch heute kann man das Gegenüber von Hafen und Werftindustrie in Hamburg an den Landungsbrücken erahnen wo sich gegenüber des städtischen Hafens die Werft Bloh & Voss befindet, auch wenn der ursprüngliche Werftenstandort an dieser Stelle nicht gesichert ist. Zunächst fanden die raumgreifenden Werften hier genügend Platz für ihre Helgen sowie für die Lagerung und Zurichtung der Hölzer. Die zunehmende Bebauung der Balgeinsel dürfte die Werftanlagen aber immer mehr eingeengt haben. Die Gründung des MartinikirchspielsDie Einrichtung des Martinikirchspiels ist in BUB I, 150 dokumentiert. 1229 mit einem Gemeindegebiet, das sich weitgehend auf die von der Balge umflossenen Insel beschränkt, setzt eine dichte Bebauung voraus. Den Schiffsbauern dürfte es bald zu eng geworden sein. Ein Schiff wie die Bremer Kogge mit 20 m Länge und 8 m Breite hätte in der Hellingstrate nicht mehr gebaut werden können und wäre auf der Balge kaum manövrierfähig gewesen. Der Schiffsbau hat sich im Laufe des 13. Jahrhunderts mehr und mehr auf den späteren Teerhof verlagert, der dem neuen Seeschiffhafen der SchlachteWeidinger (1997), S. 309f. Das Schiffsmüllerprivileg von 1250 (BUB I, 246), die erste Erwähnung des Schlachtehafens, verbietet zwar den Bau von Schiffen. Das Verbot folgt aber immer erst der unerwünschten Handlung. gegenüber gelegen war. In der Hellingstrate hingegen wird sich der Schiffbau im 13. Jahrhundert auf den Bau von kleinen Fluss- und Leichterschiffen beschränkt haben. Bei der ersten Erwähnung als Hellmchstrate 1317 befand sich der Schiffbau hier wohl schon in Auflösung. In diese Lücke stießen nun die Fassmacher, die 1374 schon so zahlreich hier ansässig gewesen sein müssen, dass ihre Tätigkeit in der Namensgebung der Straße als „Helling- oder Bodekerstrate“ Niederschlag fand.

  • ,Hellingstrate alias vero Bodekerstrate‘Bremisches Urkundenbuch (fortan BUB abgekürzt), hrsg. von D.R. Ehmck und W. v. Bippen, Bd III, Bremen 1880, Nr. 466 von 1374. Die Nennung steht in Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bürgermeisters Doneldey aus einem Grundstück an der Böttcherstraße dem Vicar des Wilhadi-Altars im Dom zu eine Rente zu zahlen.
  • vom Stapel liefen.Weidinger (1997), S. 335, Anm. 378
  • Sägewerk,„carreria publica“ (BUB III, Nr. 466).
  • die Rede ist.,Hellmchstrate‘ in BUB II, Nr. 176 von 1317. Dass es sich um dieselbe Straße handelt, beweist der Gegenstand der Urkunde, nämlich die Dotierung des Wilhadi-Altares am Dom und die Erwähnung eines Syfridi Doneldey in beiden Urkunden. Die Bezeichnung Bodekerstrate taucht vor allem im ältesten Lassungsbuch auf: Zwischen 1436 und 1554 an die 30 Mal. Lonke (1931), S. 107
  • günstig gelegen.Diese Situation war im Mittelalter häufiger anzutreffen, Weidinger (1997), S. 308. Noch heute kann man das Gegenüber von Hafen und Werftindustrie in Hamburg an den Landungsbrücken erahnen wo sich gegenüber des städtischen Hafens die Werft Bloh & Voss befindet, auch wenn der ursprüngliche Werftenstandort an dieser Stelle nicht gesichert ist.
  • MartinikirchspielsDie Einrichtung des Martinikirchspiels ist in BUB I, 150 dokumentiert.
  • Seeschiffhafen der SchlachteWeidinger (1997), S. 309f. Das Schiffsmüllerprivileg von 1250 (BUB I, 246), die erste Erwähnung des Schlachtehafens, verbietet zwar den Bau von Schiffen. Das Verbot folgt aber immer erst der unerwünschten Handlung.

Die Straßenwerdung

Wenn man heute durch die enge Böttcherstraße geht, kann man sich die platzgreifenden Werften und Schiffsreparaturstätten kaum mehr vorstellen. Auffällig ist jedoch die Verschränkung der Straße in Höhe des heutigen Roselius-Hauses mit der platzartigen Erweiterung davor. Eine eindeutige Erklärung für diesen ungewöhnlichen StraßenverlaufSchwarzwälder, Herbert: Bremen im Wandel der Zeiten. Die Altstadt. Bremen 1970, S. 173 geht als einziger Autor auf diesen Sachverhalt ein, deutet ihn aber anders. gibt es nicht. Selbst wenn man bedenkt, dass der Platz erst durch die Neubebauung unter Ludwig Roselius entstanden ist, bleibt die Verschränkung der Straße (s. Murthfeldts Plan). Wie und wann könnte diese Verschränkung entstanden sein? Allgemein kann man aus dem Grundstückszuschnitt und dem Straßenverlauf Rückschlüsse auf die Besiedlung ziehen, da sich Grundstückseinteilungen in der Stadt häufig sehr lange tradieren: Wenn ein Gebiet neu mit einer Hauptstraße erschlossen wurde, so teilte man schmale und sehr tiefe Grundstücke ein, damit möglichst viele Bewohner an der Straße wohnen konnten. Entsprechend standen die Häuser mit dem Giebel zur Straße und das Dach erstreckte sich in die Tiefe des Grundstücks. Wurden nun zwei in dieser Weise eingeteilte parallel verlaufende Hauptstraßen durch eine neue Straße verbunden, war diese waren in der Regel schmaler und die Häuser standen mit der Traufseite zur Straße.Rückschlüsse auf die zeitliche Folge der Besiedlung kann man daraus aber trotzdem nur bedingt schließen. Die Verbindungsstraße kann in einer späteren Phase der Binnenerschließung des Quartiers entstanden sein. Die Grundstückseinteilung kann aber auch einfach nur ein hierarchisches Verhältnis von Neben- zu Hauptstraße abbilden. Siehe hierzu Schwarzwälder (1955), S. 225

  • ungewöhnlichen StraßenverlaufSchwarzwälder, Herbert: Bremen im Wandel der Zeiten. Die Altstadt. Bremen 1970, S. 173 geht als einziger Autor auf diesen Sachverhalt ein, deutet ihn aber anders.
  • Traufseite zur Straße.Rückschlüsse auf die zeitliche Folge der Besiedlung kann man daraus aber trotzdem nur bedingt schließen. Die Verbindungsstraße kann in einer späteren Phase der Binnenerschließung des Quartiers entstanden sein. Die Grundstückseinteilung kann aber auch einfach nur ein hierarchisches Verhältnis von Neben- zu Hauptstraße abbilden. Siehe hierzu Schwarzwälder (1955), S. 225
Abb. 3: Katasterplan Böttcherstraße 1923
Katasterplan der Böttcherstraße 1923 mit Grundstückszuschnitten und Hausnummern.
Quelle
Archiv Böttcherstraße BP0494

Betrachtet man mit diesem Wissen das Quartier um die Böttcherstraße auf einem alten Katasterplan (Abb. 3), so lässt sich der ‚Knick‘ erklären: Martini- und Wachtstraße weisen schmale, aber außerordentlich tiefe Grundstücke auf. Der Teil der Böttcherstraße südlich des ‚Knicks‘ läuft zwischen den tiefen Grundstücken Martinistraße 8 und 9 hindurch. Böttcherstraße 1 und 2 gehörten aufgrund ihres Zuschnitts wohl ursprünglich zum Grundstück Martinistraße 8. Die Häuser Böttcherstraße 3-5 sind tiefer und mit ihren Schmalseiten auf die Böttcherstraße ausgerichtet. Der Teil der Straße nördlich des ‚Knicks‘ zur Balge hin ist hier kleinteilig mit nicht sehr tiefen Häusern bebaut. Augenscheinlich gehörten die Häuser Nr. 6 bis 10 und 11 bis 16 ursprünglich zu den Grundstücken Hinter dem Schütting 8 und 9. Daraus folgt, dass nördlicher und südlicher Teil der Böttcherstraße möglicherweise zu verschiedenen Zeiten gewachsen sind: Der südliche Teil ist zunächst von der Martinistraße aus bis zum Knick bebaut worden, vielleicht gleichzeitig mit der Erschließung der Balgeinsel, die als ErschließungsachseSchwarzwälder (1970), S. 160 quer über die Insel verlief. Zu diesem Zeitpunkt um 1200 bestanden auf dem Gelände nördlich des Knicks zur Balge hin Werften, die noch ein offenes Gelände vermuten lassen.

Nach der Umsiedlung der Werften an die Schlachte wurde dieses Gelände, also das Südufer der Balge, für die Bebauung in Grundstücke eingeteilt, die das vormals offene Gelände nach Süden miteinschlossen und so sehr tiefe Grundstücke ergaben (Hinter dem Schütting 8, 9, 10). Es entstand dann vom Markt aus über die Schüttingsbrücke der Balge ein Durchgang zum südlichen Teil der Böttcherstraße und zur Martinistraße, der beidseitig kleinteilig bebaut wurde. Am Ende des Grundstücks Hinter dem Schütting 9 entstand das Haus Böttcherstraße 6 mit einer abgeschrägten giebelständigen Fassade, um den Wegverlauf der Böttcherstraße auszugleichen. Die übrigen Häuser hatten eine sehr geringe tiefe und waren traufständig zur Straße erbaut. Vielleicht kann man in dem Garten im nordwestlichen Teil dieses Areals, der auf dem Katasterplan noch zu erkennen ist, einen Rest des ehemals offenen Werftgeländes sehen. Die andere Freifläche östlich der Böttcherstraße wurde mit der Zeit kleinteilig mit Häusern bebaut, die über Gänge und Höfe mit der Böttcherstraße verbunden waren. In etwa diese Konstellation zeigt sich auf einer der frühesten verlässlichen Stadtansichten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts von Caspar Schultz. Sie stimmt vom Grundstückszuschnitt mit dem Katasterplan von 1923 (Abb. 3) überein. Es ist anzunehmen, dass diese Bebauung von Anfang an von Böttchern vorgenommen wurde, worauf die beiden erwähnten Straßennennungen im 14. Jahrhundert hindeuten.

Abb. 4: Plan Bremens 1664, C. Schultz und G. Meier, Ausschnitt Balgeinsel
Stadtplan Bremens von 1664 mit Ausschnitt Böttcherstraße.

Das Böttcherhandwerk

Seit wann die Böttcher ihr Handwerk in der Straße ausübten, lässt sich nicht eindeutig sagen. Ein Hinweis auf die Ausübung des Böttcherhandwerks brachte die bereits erwähnte Grabung anlässlich der Ausschachtungsarbeiten auf dem Eckgrundstück Martinistraße/Wachtstraße. In einer Kloake, die ins 13. Jahrhundert datiert werden konnte, fanden sich auch zugerichtete Daubenhölzer,Moritz (1991), S. 205f.  wie sie die Böttcher zum Herstellen von Fässern benötigen. Auch die erste urkundliche Erwähnung eines Böttchers„Gerbertus doliator“ BUB I, 417 in Bremen fällt ins 13. Jahrhundert. Leider ist nicht überliefert, ob der „Faßmacher Gerbert“ in der Böttcherstraße seine Werkstatt hatte. Die eigentlichen Handwerkerquartiere lagen nordwestlich des Marktplatzes (Knochenhauer-, Pelzer-, Hutfilterstraße, um nur einige Beispiele zu nennen). Es scheint sehr plausibel, dass die Böttcher von Anfang an ihr Handwerk auf der Balgeinsel ausübten. Zusammen mit den Schiffsbauern bot ihnen die Insel zum ersten Hafennähe und auf der noch unbebauten Insel auch genügend Platz. Zum anderen hantierten sie beim Ausbrennen der Fässer mit Feuer. Auch hierfür war die noch weitgehend unbebaute Insel ein idealer Standort, da in der dicht bebauten Stadt ständig Feuergefahr bestand.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gewerken sind wir über das Böttchergewerbe in Bremen recht gut orientiert. Die Bedeutung dieses Handwerks für eine mittelalterliche Handelsstadt kann man gar nicht überschätzen. Während wir heute ein Holzfass meist nur noch mit der Lagerung von Wein, allenfalls mit Salzheringen, Sauerkraut oder Essiggurken in Verbindung bringen können, wurden bis weit ins 19. Jahrhundert so gut wie alle zu verschiffenden Güter in Holztonnen verpackt. Holztonnen war sozusagen die Container des Mittelalters. Ob es sich um Bier, Pelze, Talg, Öl, Butter, Getreide, Pech, Asche oder eben um Salzheringe handelte, all diese Güter waren in der Holztonne gegen Einflüsse von außen geschützt und konnten sicher und trocken ans Ziel gelangen. Aber auch die für eine Hafenstadt überlebenswichtigen SeezeichenThikötter, Elisabet: Die Zünfte Bremens im Mittelalter, Bremen 1930, (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 4), S. 88-92. Als wichtigste Quelle diente das erhaltene Schedebuch des Amtes. waren in der Regel Tonnen aus Holz, die von den Böttchern angefertigt wurden. Bereits 1259 sind in Bremen dem Vogt Abgaben von hölzernem Kramwerk zu machen. Und noch vor 1433 hatte sich das Amt der Tonnenmacher gebildet. Dass es in Hamburg 1376 104 und 1437 bereits über 200 Meister im Böttcherhandwerk gab, zeigt den enormen AufschwungSchildhauer, Johannes: Die Hanse, Leipzig 1984, S. 158 an, den dieses Handwerk genommen hatte.

Bald war die Spezialisierung und Arbeitsteiligkeit so weit vorangeschritten, dass sich 1436 die Kimker von den Tonnenmachern in einem eigenen AmtThikötter (1930), S. 88 abtrennten. Die Kimker durften ausschließlich Tonnen mit einem Boden, also Eimer, Bütten, Kuven und Kannen fertigen. Entsprechend wurde bei der Herstellung von Holztonnen seit jeher größter Wert auf Sorgfalt und Qualität gelegt und die Ausübung des Handwerks war streng reglementiert. Auf Hansetagen wurden die Maße für die einzelnen Tonnenarten festgelegt.

„Jede Tonne wird gezirkelt und gebrannt, wie auch aus der kündigen Rolle von 1489 hervorgeht. Die Küper, die das Amt der Zirkelung haben, sind beeidigt wie die Neunaugentönnchenbrenner. Jede Fischsorte hat ihren eigenen Brand, z. B. Berger, Drontheimer, schottischer Hering. Gepackt werden ganze, halbe, Viertel- und Achteltonnen. Hat der Packer das besorgt, setzt der Küper den Boden ein und darf nichts herausnehmen bei seinem Eide, etwa unter dem Vorwand, daß der Boden nicht passe. Ist die Tonne ausgeleert, so haut man mit dem Beil (Kimme, dem Spezialwerkzeug nach dem sich die Kimker benannten) die Markierung ab, die nun ihren Zweck erfüllt hat und bringt die leeren Tonnen an den Bestimmungsort zurück, falls man sie nicht zerschlägt. ...Unendlich oft wiederholt sich in den Recessen [Tagungen Anm. d. Autors] die Klage über zu kleines Maß, wodurch man über Gebühr verdiene, da die Ware nicht nach Gewicht bemessen wurde...Neue Tonnen durfte nur das Amtsmitglied machen. Altbinder und Küper besitzen lediglich das Recht zum Ausbessern, wobei sie jedoch auch ein Stück neuen Holzes gebrauchen dürfen.“ Quelleebd.

Die im Schedebuch festgehaltenen Streitfälle belegen, wie genau man es mit der Anfertigung von Tonnen nahm: So wird 1493 der Streit des Tonnenmacheramtes mit dem Küster von St. Jakobi dahingehend entschieden, „daß er weder neue Tonnen machen, noch neue Stäbe in alte Tonnen setzen dürfe, vielmehr allein das Recht habe, Bänder um die Tonnen zu legen, da er kein Amtmann sei.Quelleebd.

Auch die Beschaffung von Holz gab immer wieder Anlass zu Streit. So wurde den Kimkern die Bevorratung und der Handel mit Holz untersagt. Das von den Böttchern benötigte Holz wurde zumeist aus den waldreichen Mittelgebirgen mit Binnenschiffen über Oker, Aller, Leine und Weser nach Bremen transportiert. Hierfür war die Lage der Böttcherstraße am Balgehafen ideal.

Im Gegensatz zu anderen Handwerken, brachten es viele Böttcher schon in früher Zeit zu gewissem Wohlstand. In Wismar hatten von 22 Böttchermeistern 21 ihr eigenes Haus, doch von 8 Tischlern konnten nur 3 ein Haus ihr Eigentum nennen.Engel, Evamaria: Die Deutsche Stadt des Mittelalters, München 1993, S. 150 Die Böttcher waren mit ihrem Handwerk vor allem vom Fernhandel abhängig. Und eines der wichtigsten Exportgüter Bremens im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war das Bier. 1550 gab es in Bremen 286 Brauereien.Niehoff, Lydia: Bremer Bier im Baltikum? In: Brem. Jb. 80/2001 Im 18. Jahrhundert war die Holzbeschaffung für die Tonnenmacher zeitweise so schwierig, dass nicht mehr Eichenholz, sondern das billigere Buchenholz zur Herstellung verwendet wurde, was bei flüssigen Soffen den Nachteil hatte, dass die Tonnen häufig undicht waren und die Wirte sich beklagten, dass sie keine vollen TonnenHoyer, Karl: Das Bremer Brauereigewerbe. In: Hansische Geschichtsblätter XIX/1913, S. 224 erhielten. Vielleicht ist es da nur ein Zufall, dass seit 1864 die Brauerei Haake & Co. ihren Sitz in der Böttcherstraße 15Bremer Adressbuch von 1864. Die letzte Eintragung findet sich 1920. Das Grundstück reichte bis in die Wachtstraße, wo in der Nr. 35 C.H. Haake gemeldet war. Um die Ecke in der Martinistraße 12 betrieb H. W. Haake eine Brauerei. hatte. In Laufe des 18. und vor allem im 19. Jahrhundert können wir von einem Niedergang des Böttcherhandwerks sprechen. Die Industrielle Massengüterproduktion erforderte andere Transportbehältnisse. Wie spiegelt sich nun die Geschichte des Böttcherhandwerks in der Böttcherstraße wider?

 

  • SeezeichenThikötter, Elisabet: Die Zünfte Bremens im Mittelalter, Bremen 1930, (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 4), S. 88-92. Als wichtigste Quelle diente das erhaltene Schedebuch des Amtes.
  • enormen AufschwungSchildhauer, Johannes: Die Hanse, Leipzig 1984, S. 158
  • in einem eigenen AmtThikötter (1930), S. 88
  • Quelle a b ebd.
  • ihr Eigentum nennen.Engel, Evamaria: Die Deutsche Stadt des Mittelalters, München 1993, S. 150
  • 286 Brauereien.Niehoff, Lydia: Bremer Bier im Baltikum? In: Brem. Jb. 80/2001
  • keine vollen TonnenHoyer, Karl: Das Bremer Brauereigewerbe. In: Hansische Geschichtsblätter XIX/1913, S. 224
  • Sitz in der Böttcherstraße 15Bremer Adressbuch von 1864. Die letzte Eintragung findet sich 1920. Das Grundstück reichte bis in die Wachtstraße, wo in der Nr. 35 C.H. Haake gemeldet war. Um die Ecke in der Martinistraße 12 betrieb H. W. Haake eine Brauerei.

Die Bebauung der Böttcherstraße

Anhand von alten Stadtansichten und Fotos soll versucht werden, das Aussehen der Böttcherstraße vor dem Neubau durch Ludwig Roselius zu rekonstruieren. Leider geben die Quellen so gut wie keine Auskunft darüber, ob und wann Böttcher in der Straße gewohnt haben. Die Böttcherstraße wird einige Male erwähnt, doch nie in Zusammenhang mit dem Böttcherhandwerk. Sie wird als kürzeste Verbindungsstraße vom Markt zur Martinistraße gedient haben, speziell zum alten Kornhaus, das direkt gegenüber der Einmündung in die Martinistraße lag. Direkt neben dem Schütting führte der Weg über die Schüttingsbrücke, die 1541 im Ratsdenkelbuch„des Schuttinges brugge upper Balge“. 1541 wird hier eine Bude mit Keller verkauft und bezeichnet mit „alse men dale geydt van deme Markede nha der Bodekerstrate“ Lonke, 1932 (Lassungsbuch), S. 123 zusammen mit der Böttcherstraße genannt wird. Als sich die Hafentätigkeit zunehmend von der Balge an die Schlachte verlagerte, war die Böttcherstraße immer noch recht günstig gelegen. Mit dem Aufschwung des Fernhandels entwickelte sich die Martiniinsel aufgrund ihrer Hafennähe zu einem typischen Kaufmanns-, Speicher- und Packhausviertel. Entlang der Martinistraße und ihrer Seitenstraßen entstanden große giebelständige Speicherhäuser zur Schaffung von Speicherkapazitäten für Fernhandelskaufleute.

Die große Zahl von Giebelhäusern lässt sich noch gut auf der Ansicht von Caspar Schultz von 1664 erkennen (s. Abb. 4). Schultz’ Vogelschau gilt als sehr detailgetreu und hat über lange Zeit alle weiteren Stadtansichten von Bremen beeinflusst.Schwarzwälder, Herbert: Blick auf Bremen. Ansichten-Vogelschauen-Stadtpläne vom 16. bis 19. Jahrhundert, Bremen 1985, Bilderläuterungen S. 13 Schultz hat hier sogar die Ziergiebel in seine Vogelschau wiedergegeben. Nicht nur in der Langenstraße siedelten reiche Fernhandelskaufleute, sondern auch in fast allen anderen Straßen der Balgeinsel stehen dicht aneinandergedrängt tief gestaffelte Giebelhäuser. Das Kirchspiel St. Martini war, trotz seiner geringen Größe, das zweitreichsteSchwarzwälder (1970), S. 161 der Stadt. In der Böttcherstraße erkennt man aber anstatt reicher Giebelhäuser auffällig viele traufständige Häuser auf schmalen Grundstücken, was die spätere Erschießung als Nebenstraße bestätigt (siehe oben).

  • Ratsdenkelbuch„des Schuttinges brugge upper Balge“. 1541 wird hier eine Bude mit Keller verkauft und bezeichnet mit „alse men dale geydt van deme Markede nha der Bodekerstrate“ Lonke, 1932 (Lassungsbuch), S. 123
  • von Bremen beeinflusst.Schwarzwälder, Herbert: Blick auf Bremen. Ansichten-Vogelschauen-Stadtpläne vom 16. bis 19. Jahrhundert, Bremen 1985, Bilderläuterungen S. 13
  • zweitreichsteSchwarzwälder (1970), S. 161
Abb. 6: Böttcherstraße allgemein, Heinbach 1734 Detailplan Balgeinsel
Johann Daniel Heinbach, Großer Plan der Stadt Bremen 1734, Ausschnitt Balgeinsel.
Quelle
Original im Focke-Museum Bremen, Inv.-Nr. A 81

Einen noch wesentlich detaillierteren Eindruck von der Böttcherstraße gewinnen wir durch Johann Daniel Heinbachs Große Ansicht der Stadt Bremen von 1734Original im Focke-Museum , die etwas genauer ausgewertet werden soll. Perspektivisch verschoben, sind hier alle Häuserfassaden der Böttcherstraße wiedergegeben. Der Plan ist so genau, dass die alte Nummerierung der Häuser vom Katasterplan um 1923 auf ihn übertragen werden kann. Auch dieser Plan bestätigt, dass große Teile der Bebauung, wie Heinbachs Plan sie zeigt, sich bis zur Umgestaltung der Straße durch Ludwig Roselius erhalten hatten, wenn auch in sehr schlechtem Zustand wie wir anhand der historischen Fotos sehen werden.

Während Nord- und Südseite der Straße meist kleiner dimensionierte traufständige Häuser zeigen, erkennt man an der Stelle, wo durch den Knick eine kleine, platzartige Erweiterung entsteht, ausnahmslos größere Giebelhäuser, meist mit zwei Voll- und drei Giebelgeschossen. Bis auf das Haus Nr. 6 haben diese Häuser alle eine besonders verzierte Giebelspitze, vermutlich einen kleinen Obelisken, wie er in der zweiten Hälfte des 16 Jahrhunderts bei vielen reicher geschmückten Giebeln in Bremen üblich war und heute als Zierform der 'Weserrenaissance' typisiert ist. Verglichen mit den großen und prächtigen Häusern der Hauptstraßen, zählen die Giebelhäuser der Böttcherstraße eher zu den schlichten Bürgerhäusern des 16. und 17. Jahrhunderts. Diese Giebelhäuser mit ihren zwei Geschosse hohen Dielen und den Lagerböden darüber wird man wohl kaum als typische Handwerkerhäuser der Böttcher ansprechen können. Sie dienten sehr wahrscheinlich Kaufleuten und Händlern als Lagerhäuser. Weshalb sie sich ausgerechnet nur am Knick mit der platzartigen Erweiterung in der Straße finden, bedarf noch der Erklärung. Im Haus Nr. 6, dem heutigen Roselius-Haus, hat sich eines dieser größeren Kaufmannshäuser erhalten, wenn auch nicht das größte und prächtigste.

Die Häuser Nr. 4 und Nr. 5 südlich daneben sind in ihrer Gestalt durch Runge & Scotland umgebaut als Giebelhäuser erhalten. Als Handwerkerhäuser können wir dagegen die übrigen, traufständigen Häuser in der Straße ansprechen. Handwerker benötigen bei weitem nicht so viel Lagerraum wie Fernhandelskaufleute. Trotzdem besaßen die meisten Traufenhäuser einen Dacherker, der auf der Traufe aufsaß und eine Winde verbarg, mit deren Hilfe Gegenstände ins Obergeschoss bzw. in den Dachraum befördert werden konnten.

Von zwei kleinen traufständigen Häusern in der Böttcherstraße (Nr. 11 und 12) hat der Bremer Denkmalpfleger Rudolf Stein Zeichnungen ihres früheren Aussehens angefertigt und auch die Innengestaltung rekonstruiertVgl. Stein, Rudolf: Das Bremer Bürgerhaus, Tübingen 1970, S. 18 und 20 : schmucklose zweigeschossige Traufenhäuser mit einem hohen Backsteinuntergeschoss und einem leicht vorkragenden Fachwerkobergeschoss. Im Grundriss fast quadratisch, war das Erdgeschoss durch den hohen Dielenraum geprägt, in den später Küche und Kammer eingebaut wurden. Nach Stein zeigen diese Häuser damit den urtümlichen Grundriss, der noch dem niedersächsischen Bauernhaus entlehnt ist. Trotz des von Stein konstatierten urtümlichen Grundrisses sind sie stilistisch frühestens ins späte 16. Jahrhundert zu datieren. 1921 wurden diese Häuser Nr. 11 und Nr. 12 abgebrochen. Die Rekonstruktion dieser beiden Häuser hatte für Stein mehr exemplarischen Charakter.

Im Folgenden wird dagegen versucht, jedes einzelne Haus der Böttcherstraße katalogartig so rekonstruieren wie es vor der Umgestaltung durch Ludwig Roselius bestand, soweit sich sein Aussehen und seine Geschichte nach Heinbachs Plan, nach historischen Fotos und nach den Bremer Adressbüchern dingfest machen lässt. Die Nummerierung beginnt an der östlichen Seite am Grundstück Martinistraße, springt bei Nr. 9 am tiefen Grundstück Hinter dem Schütting auf die westliche Straßenseite und endet bei Nr. 20 wieder am Grundstück Martinistraße Nr. 9. Die Zählung folgt dem alten Katasterplan von 1921. Diese wurde erst 1931 durch die noch heute gültige ersetzt.Vgl. Bremer Adressbücher von 1931 und 1932

  • ersetzt.Vgl. Bremer Adressbücher von 1931 und 1932

Katalog der Häuser in der Böttcherstraße vor dem Umbau durch Ludwig Roselius (Rekonstruktion)

Östliche Seite

Nr. 1, Flurstück 240

Auf Heinbachs großem Plan (Abb. 6) nicht genau zu identifizieren. Detaillierter wird der südliche Teil der Straße auf Heinbachs Bürgerkompagnie-Quartierskarte von 1731 gezeigt. Bis zum giebelständigen Haus Nr.3 sind hier vier traufständige Häuser eingezeichnet. Wenn man das südlichste noch dem Haus der Martinistraße zuschlägt, folgt ein dreiachsiges traufständiges Haus. Die beiden folgenden werden zum breiteren Haus Nr. 2 zugeschlagen. Auf dem Foto Abb. 10 ist das Haus stark angeschnitten gerade noch mit drei Achsen und einem OG traufständig erkennbar. Es hat sich also mindestens aus dem 18. Jahrhundert unverändert erhalten. Flurstück Nr. 240; 1927 von Ludwig Roselius gekauft,Archiv Böttcherstraße, Bauakte Haus Atlantis 1929 abgerissen. Darauf Neubau des Hauses Atlantis.

Nr. 2, Flurstück 241

Bei Heinbachs Plan von 1731 (Abb. 9) als zwei Häuser dargestellt, traufständig mit insgesamt 6 Achsen. Auf Abb. 10 mittig stark verkürzt zu erkennen mit verputztem Erdgeschoss, stark ausgeprägtem Stockgesims, gegliederter Beletage und kräftigem Kranzgesims. Vermutlich wurde das Haus im 19. Jahrhundert auf den beiden bei Heinbach gezeichneten Häusern neu errichtet. Im Adressbuch von 1855 ist es unbewohnt, von 1864 bis 1871 als Packhaus, ab 1872 als Tischlerwerkstatt geführt und zuletzt von drei Parteien bewohnt, bevor es 1925 von Ludwig Roselius gekauft und 1929 abgerissen wurde.Ebd.

Nr. 3, Flurstück 242

Bei Heinbachs Plan von 1731 (Abb. 9) dreiachsiges Giebelhaus mit Diele und Mittelportal, dabei zwei Voll- und drei Giebelgeschosse mit Giebelobelisk. Später umgebaut, vermutlich Einzug einer Decke in die Diele, denn auf Abb. 11 zeigt das Haus drei Voll- und zwei Giebelgeschosse. Ein Giebelobelisk ist noch als Stumpf zu erkennen. Laut Adressbüchern war bis 1880 hier eine Grobbäckerei ansässig. 1929 von Ludwig Roselius gekauft (Vorbesitzer Haake-Beck A.G.), wurde es bis zum Abbruch 1930 als Wohnhaus genutzt. Der untere Teil ist auch auf Abb. 10 links neben der Bremen-Amerika-Bank gut erkennbar.

Nr. 4/5, ohne Flurbezeichnung

Auf Heinbachs Plan von 1734 (Abb. 6) zwei große Giebelhäuser: Nr. 4 mit drei Vollgeschossen und zwei Giebelgeschossen, Nr. 5 mit zwei Voll- und drei Giebelgeschossen. Im Adressbuch seit 1855 ist es unbewohnt und seit 1864 als Packhäuser geführt. Die Abb. 12 zeigt die Häuser vor dem Umbau durch Runge und Scotland. Sie wurden vermutlich im 19. Jahrhundert für die Nutzung als Packhäuser umgebaut: Bei Nr. 4 hat man die Geschossteilung verändert und dabei Stockgesimse beseitigt. Auch die Fenster stammen vom Umbau. Nr. 5 erhielt ein großes Tor auf die Diele. Die Geschossteilung blieb aber erhalten. Beide Häuser könnte man mit dem Haus Nr. 6 ins 16. Jahrhundert datieren. Die Architekten Runge & Scotland haben diese beiden Häuser als ihr erstes Werk in der Böttcherstraße 1922 bis 24 zur Bremen-Amerika-Bank für Ludwig Roselius umgebaut. Heute firmiert es als Haus des Glockenspiels.

Nr. 6, Flurstück 243

Nr. 6Die Hausnummern 6 bis 9 sind auf dem Katasterplan von 1921 (BP0486) nicht eingezeichnet, dafür aber auf einem Plan von 1923 (BP0494), der hier nicht abgebildet ist. : Siehe separate Abhandlung zu Roselius-Haus (Böttcherstraße 6).

Abb. 12: Böttcherstraße vor 1923, Nr. 6 und Nr. 4, 1916-22
Links das durch Ludwig Roselius frisch restaurierte Haus Nr. 6, rechts die Packäuser Nr. 4 und 5 kurz vor Abriss, die der Firma ‚Eisen-Finke‘ gehörten.
Quelle
Foto aus: Bremen und seine Bauten 1900 bis 1951, S. 224

Nr. 7, Flurstück 244

Heinbachs Plan von 1734 (Abb. 6) zeigt bei den Häusern Nr. 6 bis Nr. 8 die Trauflinie auf gleicher Höhe verlaufend. Dies scheint einem Streben nach Einheitlichkeit geschuldet, denn auf dem Foto Abb. 13 erkennt man, dass es sich um sehr unterschiedliche Häuser in ihrer Konstruktion handelt. Der Fassadenaufriss hingegen variiert bei Heinbach und ist auch beim Abgleich mit den Fotos nachvollziehbar: Nr. 7 hat drei Achsen, ist traufständig und zeigt zwei Vollgeschosse mit hohem, dielenartigem Erdgeschoss, sowie einen mittigen Eingang mit Dacherker. Ein Foto um 1900 entstanden (Abb. 14) zeigt das Haus in der Bildmitte. Die rechte Achse ist etwas breiter ausgebildet, die Anzahl der Geschosse stimmt mit Heinbach überein. Dass der Dacherker noch vorhanden sein muss, zeigt die Unterbrechung der Dachrinne. Zwanzig Jahre später ist er verloren, wie man auf einem Foto aus der Mitte der 20er Jahre erkennt (Abb. 13). Bei Nr. 7 handelt es sich wohl um ein größeres Handwerkerhaus mit hohem Dielengeschoss aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Laut Adressbuch war es bis 1914 bewohnt. 

Nr. 8, Flurstück 245

Bei Heinbach 1734 schmales, traufständiges Haus, eineinhalbgeschossig mit Dacherker, also ein kleineres Handwerkerhaus. Vermutlich im frühen 19. Jahrhundert wurde es umgebaut, denn Abb. 13 zeigt zwei niedrige Geschosse mit vergrößerten Fenstern mit Ritzputzzier über dem Gebälk. Der verhältnismäßig große Dacherker aus Fachwerk ist auf dem Foto auch noch vorhanden.

Nr. 9, Flurstück 246

Bei Heinbach zweiachsiges Giebelhaus mit einem hohen Dielengeschoss. Die Abb. 15 zeigt zwei niedrige Geschosse mit vier einfachen Fensterachsen. Der Giebel ist als Fachwerkkonstruktion auf das massive Untergeschoss aufgesetzt. Das Foto lässt Ornamentmalerei in den Gefachen erkennen, die von Ernst Müller-Scheessel ausgeführt wurde. Anfang der zwanziger Jahre, als es den Plan vom Paula-Becker-Modersohn-Haus noch nicht gab, wollte Roselius die alten Häuser erhalten und begann sie zu restaurieren. Müller-Schessels Fassadenmalerei auf dem Foto ist das einzig sichtbare Zeugnis dieser Bemühungen.

Es folgt ein Durchgang zu einem Hof, auf dem sich das Hinterhaus Nr. 9a befand. Dieser Hinterhof hat Bernhard Hoetger bei der Konzeption des Paula-Becker-Modersohn-Hauses vielleicht zum Handwerkerhof inspiriert.

Bei Heinbach ist noch ein weiteres traufständiges Haus mit Dacherker zu erkennen. Es ist aber wohl im Haus Hinter dem Schütting 9 aufgegangen. Dafür spricht, dass auf dem Katasterplan (Abb. 8) das Flurstück dieses Hauses jenseits des Durchgangs noch eingezeichnet ist, aber ohne Hausnummer. Der Neubau des Eckhauses unter Einbeziehung dieses kleinen Hauses erfolgte um 1800, denn auf Abb. 13 ist im Giebelstein des einzigen Fensters das Datum 1806 eingraviert. Auch die Größe des Fensters deutet auf diese Erbauungszeit.

Hinter dem Schütting Nr. 9, Flurstück 247a

Eckhaus: Bei Heinbach hohes, breites Giebelhaus mit mittiger Utlucht zur Straße Hinter dem Schütting hin. Abb. 16 zeigt, dass um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ein Neubau entstanden sein muss: Walmdach, Eckrustizierung, im Untergeschoss beidseitig vom Eingang schlichte Utluchten, hohes, dreiachsiges Hauptgeschoss, gefolgt von einem Mezzaningeschoss. Dieses Haus wurde 1926 seinerseits durch das Paul-Becker-Modersohn-Haus ersetzt. Mit der Gaststätte ‚Niedersachsen‘ und Räumen für Kunstausstellungen im Obergeschoss war es gleich nach dem Ersten Weltkrieg Keimzelle der Kunst in der Böttcherstraße.

Hinter dem Schütting Nr. 8, Flurstück 35

Eckhaus: Bei Heinbach breites, traufständiges Haus mit fünf Achsen und beidseitigen Utluchten, zweigeschossig, Zobelsches Haus genannt. Diese Utluchten waren beim Abbruch des Hauses 1910 noch erhalten (Abb. 17) und zeigen eine schöne Rokokozier.Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko, Bremen 1960, S. 250 datiert das Haus auf Anfang 17. Jahrhundert, während die Utluchten 1750 angebaut seien. Auf Heinbachs Plan von 1734 sind sie aber schon gut erkennbar. Das würde bedeuten, dass diese für Bremen so prägenden Rokokoformen schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Eingang in die hanseatische Architektur gefunden hatten. Sie wurden geborgen und als Erker in das im Bau befindliche Haus Am Markt 1 wieder eingesetzt. Auch wenn die Anlage des Hauses mit Utluchten ein großes Giebelhaus vermuten lässt, war dieses Haus wohl immer niedrig und traufständig wie auch Steins Rekonstruktion zeigt. Schon bei Schultz/Meier (Abb. 4), also in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts steht es in einer Reihe traufständiger Häuser zwischen Schüttingbrücke und Stintbrücke.

  • Rokokozier.Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko, Bremen 1960, S. 250 datiert das Haus auf Anfang 17. Jahrhundert, während die Utluchten 1750 angebaut seien. Auf Heinbachs Plan von 1734 sind sie aber schon gut erkennbar. Das würde bedeuten, dass diese für Bremen so prägenden Rokokoformen schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Eingang in die hanseatische Architektur gefunden hatten.
Abb. 16: Böttcherstraße 1919 Hinter dem Schütting 10 und 9
Eckhaus Hinter dem Schütting 9/Böttcherstraße. Das Haus stammt aus der Zeit um 1800 und war der Vorgängerbau des Paula-Becker-Modersohn-Hauses.
Quelle
Foto: E. M. Kaufmann
Abb. 17: Böttcherstraße vor 1923, Haus Hinter dem Schütting 8
Eckhaus Böttcherstraße/Hinter dem Schütting 8, sog. Zobelsches Haus. Es wurde 1910 abgerissen, wobei die schönen Rokokoutluchten geborgen und im neu errichteten Haus Am Markt 1 eingebaut wurden.

Westliche Seite der Böttcherstraße

Das Hinterhaus von Hinter dem Schütting Nr. 8 ragt bei Heinbach weit in die Böttcherstraße hinein bis zum gegenüberliegenden Durchgang. Dieses Hinterhaus hatte in der Böttcherstraße aber keinen eigenen Eingang. Auf dem Katasterplan (Abb. 8) ist ein Flurstück von diesem langen Haus abgeteilt und mit Hausnummer 10. Dieser Teil des langen Hauses ist auch dem Abriss des Eckhauses 1910 stehengeblieben. Abb. 19 zeigt dieses hohe Haus rechts im Bild, auch hier ohne eigenen Eingang zur Böttcherstraße.

Nr. 11, Flurstück 36

Bei Heinbach traufständig, dreiachsig ohne erkennbare Geschossteilung. Eines der beiden Häuser, die Stein zeichnerisch rekonstruiert hat, allerdings seitenverkehrt darstellt (Abb. 7). Auf einem Foto, das die alte Böttcherstraße mit der gesamten nordwestlichen Seite zeigt, ist dieses Haus erkennbar (Abb. oben rechts). Vorkragendes Fachwerkobergeschoss mit vier Fenstergefachen (bei Stein falsch dargestellt) und nochmals vorkragendem Dacherker, der auf die Traufe aufgesetzt. Es handelt sich um ein einfaches Handwerkerhaus vermutlich aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. Laut Adressbüchern war das Haus bis 1912 bewohnt (zuletzt Fischräucherei Wwe. Osterloh).

Nr. 12, Flurstück 37

Bei Heinbach traufständig, ein höheres Dielengeschoss als Nr. 11, bei gleicher Breite aber nur zweiachsig. Bei Stein wiedergegeben und auf dem Abb. 20 seitlich erkennbar: Vorkragendes, niedriges Obergeschoss ohne Dacherker im Dachraum. Ladetür ins Obergeschoss integriert. Einfaches Handwerkerhaus vermutlich 16. oder 17. Jahrhundert. Laut Adressbüchern war das Haus bis 1911 bewohnt. 

Nr. 13a, Flurstück 38

Eine Handzeichnung des Katasteramtes von 1905 unterscheidet Nr 13a (Vorderhaus zur Böttcherstraße) und 13b (Hinterhaus). Bei Heinbach sind hier zwei dreiachsige Häuser dargestellt: Sie sind traufständig wiedergegeben und haben die gleiche Erdgeschosshöhe wie Nr. 12. Die Abb. 20 zeigt das Haus komplett aus Fachwerk mit sieben schmalen Achsen, davon die südliche Achse als Durchgang ausgebildet, der zu Nr. 13b führt wie die Handzeichnung belegt (Abb. 21). Das vorkragende Obergeschoss zeigt sich etwas höher als bei Nr. 12. Über die drei mittleren Achsen ist eine Gaube in Geschosshöhe auf die Traufe aufgesetzt. Das Haus stammt in seiner Erscheinung hier wohl aus dem späteren 18 Jahrhundert, da bei Heinbach an dieser Stelle zwei Häuser dargestellt sind. Das Haus war um die Jahrhundertwende bereits unbewohnt.

Nr. 13b, Flurstück 39

Hinterhaus zu Nr. 13a und Nr. 14. Von Heinbach nicht gezeichnet. Es ist auch keine Fotodokument überliefert. Die Handzeichnung (Abb. 21) bezeichnet auch Stallungen in der Hinterbebauung. Um 1900 wurden also wohl noch Vieh in der BöttcherstraßeSchmidt-Barrien, Heinrich: Von der Bremer Böttcherstaße, Bremen o.J. (1993) S. 11ff. schildert anekdotenhaft die Häuser und ihre Bewohner mit Viehhaltung um 1860. gehalten.

  • Vieh in der BöttcherstraßeSchmidt-Barrien, Heinrich: Von der Bremer Böttcherstaße, Bremen o.J. (1993) S. 11ff. schildert anekdotenhaft die Häuser und ihre Bewohner mit Viehhaltung um 1860.
Abb. 21: Handzeichnung Katasteramt, Baublock westlich der Böttcherstraße 1905
Handzeichnung des Katasteramtes zum Baublock Böttcherstaße/Hinter dem Schütting/Bredenstraße von 1905. Die Häuser in der Böttcherstraße sind mit Hausnummern, Flurstücken und auch der Hinterbebauung bezeichnet.
Abb. 22: Böttcherstraße vor 1908, Nr. 15 und Nr. 14
Rechts das kleine Haus Nr. 14 mit einer Bewohnerin davor. Das Foto muss um die Jahrhundertwende entstanden sein, denn das große Packhaus Nr. 15 steht noch und das Haus Nr. 6, ganz rechts ist noch nicht renoviert.

Nr. 14, Flurstück 40

Bei Heinbach als kleines, zweigeschossiges Haus mit kleiner Gaube über der rechtsseitigen Portalachse dargestellt. Die Abb. 20 auf der linken Seite zeigt das Haus dreiachsig. Abb. 22 zeigt dieses Haus mit einer Bewohnerin davor noch besser. Das kleine Wohnhaus ist aufgrund der großen Fenster mit Putzrahmung vermutlich komplett aus Stein im Laufe des 19. Jahrhunderts errichtet worden, also wesentlich später als die Zeile Nr. 11 bis 13. Es war noch bis 1913 bewohnt und wurde 1920/21 abgerissen.

Nr. 15, Flurstück 41

Bei Heinbach als eines der großen dreiachsigen Giebelhaus mit Giebelzier rund um die platzartige Erweiterung wiedergegeben. Abb. 23 zeigt ein hohes, schmales Giebelhaus mit vier Voll- und zwei Giebelgeschossen. Typisches Packhaus mit großen Ladetüren und Winde im Giebel. Die Profilierung der Wasserschlaggesimse zur Geschossteilung und die Fensterteilung lassen eine Datierung ins 16. Jahrhundert zu. Auch die verhältnismäßig große Tiefe des Hauses lässt auf den alten Typus des hanseatischen Kaufmannshauses schließen. In das ehemals hohe Dielengeschoss wurde um 1865 eine Decke eingezogen, die Fenster wurden segmentbogig vergrößert sowie der Eingang an die rechte Seite verlegt. Er diente als Durchgang in einen rückwärtigen Hof. Laut Adressbüchern bis 1861 häufig wechselnd bewohnt, zeitweise unbewohnt. Von 1864 bis 1920 von der Brauerei Haake & Co. genutzt. Um 1920/21 abgerissen.

Nr. 16, Flurstück 42

Heinbachs Plan von 1734 stellt das Haus in eine Reihe mit dem vorhergehenden und dem folgenden Haus dar. Der Platz bildet hier keine Ecke aus. Eine Ungereimtheit, auf Heinbachs Plan, die sich mit der heutigen Lage und allen Katasterkarten nicht in Einklang bringen lässt. Auch auf seiner Quartierskarte von 1731 (Abb. 9) schließt das Haus direkt an Nr.17/18 an. Es ist keine Ecksituation erkennbar. Hier ist das Haus wesentlich genauer gezeichnet: Ein breites Giebelhaus mit zwei Voll- und drei Giebelgeschossen. Die Giebelspitze ist mit einer Kugel verziert. Bei Heinbach nimmt man es von seinem Volumen her als größtes Haus der Böttcherstraße wahr. Es handelte sich wohl um ein reicheres Dielenhaus mit Packböden, also ein Kaufmannshaus. Leider gibt es kein fotografische Ansicht von diesem Haus. Seine Existenz zeichnet sich aber als Schatten des Giebels mit Kugelzier auf einem Foto auf der Fassade des Hauses Nr. 6 ab. 

Nr. 17/18

Unter dieser Hausnummer ist auf den Katasterplänen des frühen 20 Jahrhunderts das Eckgrundstück am Platz zum südlichen Teil der Straße bezeichnet. Bei Heinbach 1731 (Abb. 9) folgen auf Nr. 16 drei kleinere traufständige-, ein kleines giebelständiges und ein größeres traufständiges Haus. Auch diese Darstellung kann mit den Katasterplänen und alten Fotos nicht in Einklang gebracht werden. Das Haus nur 17/18 ist auf Abb. 24 noch gerade mit einer Tür- und einer Fensterachse zu erkennen. Adressbücher besagen, dass das Haus bis 1886 noch bewohnt war. 1895 ist nicht mehr erwähnt.

Nr. 19, Flurstück 44

Auf Abb. 24 als dreiachsiges Packhaus mit linksseitigem Eingang backsteinsichtig zu erkennen. Seit 1871 als Packhaus im Adressbuch geführt.

Nr. 20, Flurstück 45

Auf dem Katasterplan Abb. 8 mit Martinistraße 9 identisch. Dieses Haus ragt von der Martinistraße tief in die Böttcherstraße hinein, was auch Heinbachs Plan von 1731 zeigt. Obwohl die Hausnummer 20 auf dem Katasterplan eingezeichnet ist, hat das Haus in der Böttcherstraße erkennbar keinen eigenen Eingang wie Abb. 24 und Abb. 25 zeigen. Einzig eine etwas erhöhte Ladetür könnte darauf hindeuten.